Post-merger Integration: Wie wird aus 1+1 mehr als 2?

Die mit Akquisitionen verbundenen Ziele werden oft nicht erreicht. Dies kann vielfältige Ursachen haben.

Erfolgreiche Akquisitionen sind strategisch – selten opportunistisch – begründet. Zugang zu Märkten, zu Technologien oder auch Kostenreduktion/Skaleneffekte sind die meistgenannten Gründe für einen Zukauf. Trotz einer sorgsamen Zielauswahl erreichen viele Akquisiteure den geplanten Erfolg nicht. Im Folgenden erläutere ich die wesentlichen vier Gründe, die zu mangelndem Akquisitionserfolg führen.

1. Der Akquisitionsprozess wird auf Biegen und Brechen durchgezogen.
Das Ziel derer, die den Deal einfädeln, ist der erfolgreiche Abschluss. Dies gilt oft nicht nur für die Berater und beteiligten Banken, sondern auch für das Management des Akquisiteurs. Ein Abbruch des Vorhabens geht mit finanziellen Einbußen für die Berater einher, und auch das Management lässt sich gern für einen Abschluss feiern. Gründe, die für einen möglichen Abbruch des Prozesses sprechen, können aber durchaus erst im Verlauf der Verhandlungen bekannt werden: Der Preis für das Unternehmen ist im Verhältnis zu den erwarteten Synergieeffekten zu hoch; Bilanz- oder rechtliche Risiken, Schwächen in Personalstruktur oder der Technologie werden erst in der Due Diligence offensichtlich. In solchen Fällen wäre es besser, ein alternatives Ziel zu verfolgen. Programmatische Akquisiteure beobachten daher immer eine Auswahl potentieller Akquisitionsziele – da fällt es leichter, auch einmal „nein“ zu sagen.

2. Synergieeffekte werden überschätzt.
Oftmals werden die positiven Effekte einer Akquisition wohlwollend in die Kalkulation aufgenommen, während mögliche Aufwände herausgerechnet werden. In meiner Erfahrung ist es meistens sehr schwer bis unmöglich, die vorgezeichneten defensiven und offensiven Synergien aus einem Unternehmenszusammenschluss zu erreichen, weil die zugrundeliegenden Annahmen zu optimistisch ausgefallen sind. Der Base Case für die Akquisition sollte niemals die rosige Seite der Zukunft beleuchten, sondern ausreichende (also: großzügige) Risikoabschläge berücksichtigen. Papier ist geduldig – Anteilseigner und Kreditgeber sind es nicht. Mein Motto: Underpromise – overdeliver.

3. Der Aufwand für die Integration wird unterschätzt.
Eine Integration ist eine Mammutaufgabe – siehe dazu auch den Beitrag auf meiner Website „Nothing compares to what comes after you acquire the business“. Selten hält ein Unternehmen freie Ressourcen bereit, um eine Integration voran zu treiben. Und wenn es jemanden im Unternehmen gibt, der verfügbar wäre, ist diese Person auch tatsächlich geeignet, ein solches strategisches Projekt zu führen? „People’s availability is not a skill set“, sagte Stan Strnad in einem Beitrag auf LinkedIn. Dem kann ich nur beipflichten: Es braucht viel Erfahrung, Prozess-Know-how und (interne wie externe) Kommunikation, um eine Post-merger Integration erfolgreich zu gestalten. Nur große Unternehmen unterhalten eigene M&A-Abteilungen; die meisten anderen versuchen es mit Bordmitteln (und nehmen die begleitenden Risiken oft unbewusst in Kauf). Wer nicht über erfahrene PMI-Manager verfügt, sollte sich projektbezogen mit externen Ressourcen verstärken. Das kostet zwar – aber meistens weniger als eine gescheiterte Akquisition.

4. Der Zeitplan für die Integration passt nicht.
Erfolg bemisst sich nicht nur nach absoluter, sondern auch nach rechtzeitiger Zielerreichung. Integrationspläne verfolgen daher eine bestimmte Zeitschiene, in der die gewünschten Effekte erreicht werden sollen. In den meisten PMI-Projekten, zu denen ich gerufen wurde, lag die Organisation bereits weit hinter dem geplanten Projektfortschritt. Die Hauptgründe dafür liegen meistens im Fehlen einer Projektorganisation, darin, dass Fortschritte (oder mangelnde Fortschritte) nicht nachgehalten werden, es keine klare Governance gibt (Verantwortungszuordnung, Entscheidungsprozesse…), dem Projekt zu wenig Ressourcen zugeordnet werden, und vor allem keine Priorisierung vorgenommen wird.

Neben den erläuterten Faktoren gibt es noch eine Vielzahl anderer Einflüsse, die zu einem erfolgreichen Post-merger Integration Projekt beitragen, die ich aber hier nicht alle auflisten möchte. Dem interessierten Leser empfehle ich meine Rubrik „Beiträge/Contributions“, wo ich eine Reihe von Publikationen namhafter Berater/Beratungshäuser und eigene Vorschläge präsentiere.

Wer die Erfolgswahrscheinlichkeit seines Akquisitionsprojektes erhöhen will, sollte dem Integrationsprozess dringend Aufmerksamkeit schenken. Der Abschluss des Deals ist meistens nur die halbe Miete – falls überhaupt.

Diethard Engel ist als Interim Manager auf die Bereiche Business Transformation, Post-merger Integration / Carve-out und Executive Finance für produzierende Unternehmen spezialisiert.